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Relative und absolute Risiken von Schilddrüsenerkrankungen

Relative und absolute Risiken von Schilddrüsenerkrankungen

| Beitrags-ID: 251854

Update: 22.03.2024

FAQ: Relative und absolute Risiken sowie absolute Zahlen von Schilddrüsenerkrankungen, Schilddrüsenkrebs, Nebenwirkungen der Therapien

Einfach erklärt:

    • Broschüre:

Knoten der Schilddrüse und ihre Behandlung
Beobachten oder behandeln/operieren?

Hallo,

hier unterschiedliche Risiken in (relative und absolute Risiken) sowie absoluten Zahlen, um bestimmte Risiken für sich besser einschätzen zu können.
Die folgende Zahlen sind zum Teil selbst grobe Schätzungen. Der Beitrag wird daher laufend mit aktuellen, besseren Zahlen ergänzt und bearbeitet.

m Jahr 2016 haben ca. 5280 Frauen und ca. 2.500 Männer, insgesamt ca. 7.780 Menschen, die Diagnose Schilddrüsenkrebs erhalten.

Im Jahr 2015 (2012; 2008) sind an Schilddrüsenkrebs geschätzt 300 (330; 279) Männer und 416 (419; 429) Frauen, insgesamt ungefähr 716 (749; 710) Menschen an einem Schilddüsenkarzinom gestorben (mittleres Alter Männer 73 Jahre und Frauen 79 Jahre)

m Jahr 2016 haben ca. 5280 Frauen und ca. 2.500 Männer, insgesamt ca. 7.780 Menschen, die Diagnose Schilddrüsenkrebs erhalten.

(Quellen:

Zum Vergleich:

  • Im Jahr 2015 sind nach der Zählung des Statistischen Bundesamtes (destatis) 9.815 Menschen bei häuslichen Unfällen ums Leben gekommen. Das sind mehr Menschen als im gleichen Zeitraum im Straßenverkehr (3.475). (Quelle: spiegel.de, 5.2.2017 und 25.2.2016)
  • Im Jahr 2013 habe nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes ca. 500.000 Menschen die Diagnose Krebs erhalten und 220.000 sind an den Folgen verstorben (Quelle: Ärzteblatt 4.2.2015)
  • Wuppertal Institut hat für Greenpeace 2018 eine Studie die Verkehrsverhältnisse der größten Städte in 13 europäischen Staaten untersucht:
    • In Berlin passieren pro 10.000 Wege per Fußgänger 22 Unfälle (Amsterdam und Kopehagen nur 4, in Oslo 6)
    • In Berlin passieren pro 10.000 Wege per Fahrrad 163 Unfälle (Amsterdam 12, Kopenhagen 7)
      Quelle: Living. Moving. Breathing.
      Ranking of European Cities in Sustainable Transport
      Greenpeace e.V 2018
      weitere Quellen: Verkehrsunfälle 2016
      Kraftrad- und Fahrradunfälle im Straßenverkehr
      Herausgeber: Statistisches Bundesamt 2017
    • Zu Bedenken ist bei den Zahlen zum Schilddrüsenkarzinom, dass bei diesen Registerzahlen

nicht zwischen den einzelnen Schilddrüsenkrebsarten unterschieden

    • wird, die in der Prognose recht unterschiedlich sind.

 

    • Zu Bedenken ist ferner, dass die Zahl an neu diagnostizierten (vor allem papillären) Schilddrüsenkarzinomen zugenommen hat (Steigerung um 4%, relatives Risiko!), die Zahl der an Schilddrüsenkrebs Verstorbenen nahezu gleich bleibt oder gar abnimmt.

 

Es gibt eine Reihe von Versuchen die Prognose an verschieden Faktoren (Histologie des Karzinoms, TNM-Klasifikation, Alter, Geschlecht, Erfolg der Therapie) möglichst genaue zu bestimmen.
(siehe auch ATA: Risikogruppen beim differenzierten Schilddrüsenkrebs,2009)

Da immer weiter differenziert wird, gibt es nur wenige verlässliche relative und absolute Risiken, und keine absoluten Zahlen.
Eine Schätzung von absoluten Zahlen würde hier ein sehr breite ungenaue Spanne aufmachen.

    • undifferenziertes Schilddrüsenkarzinom – im Ratgeber Schilddrüsenkrebs werden Zahlen von 5-10% der Neuerkrankungen unter den Schilddrüsenkarzinomen genannt (Ratgeber Krebs der Schilddrüse; Hrsg. Deutsche Krebshilfe 2011; S.31). Es gibt allerdings auch Zahlen von weit unter 5% liegen (Reiners, 3. Auflage 2010, S.12).Dieser sehr aggressive Krebs – auch anaplastischer Schilddrüsenkrebs – tritt meist im Alter über 60 Jahre auf und hat eine der schlechtesten Prognosen unter allen Krebserkrankungen überhaupt. Nur sehr wenige Patienten leben länger wie 2 Jahre nach Diagnosestellung.
    • wenig-differenziertes Schilddrüsenkarzinom – hierzu gibt es keine verlässliche Zahlen, da diese Klassifikation relativ neu ist (2006?).
    • medulläres Schilddrüsenkarzinom – um die 5-10% der Neuerkrankungen mit Schilddrüsenkrebs (Krebs der Schilddrüse). Auch hier finden sich jedoch auch Zahlen die weit unter 5 % der Neuerkrankungen an Schilddrüsenkrebs liegen(Reiners: 2,8%). Innerhalb des medullären Schilddrüsenkrebs lassen sich weitere Subklassifikationen nach Mutationen definieren, die wiederum zusammen mit der Ausbreitung zum Zeitpunkt der Diagnose eine unterschiedlich gute Prognose haben. Die Heilungschance schwanken daher zwischen 50 – 90% (Krebs der Schilddrüse).
    • follikuläre Schilddrüsenkarzinom – In der AWMF-Leitlinie zur Schilddrüsenoperation (malgine) 2012 wird erstmals zwischen minimal-invasiven und grob-invasiven follikulären Schilddrüsenkarzinomen unterschieden, da die Prognose sehr unterschiedlich ist. Das minimal-invasive follikuläres Schilddrüsenkarzinom gilt bereits nach chirurgischer Entfernung des Knoten als geheilt.Die folgende Schätzung bezieht sich auf beide follikuläre Schilddrüsenkarzinome zusammen:
      Um die 20% der Neuerkrankungen der Schilddrüsenkarzinome sind follikuläre Schilddrüsenkarzinome (Reiners: 1996: 27,2%).
      Hier werden 10 Jahres Überlebensraten von zwischen 79% und 84 % genannt (Krebs der Schilddrüse).
    • papilläres Schilddrüsenkarzinom – Um die 2/3 der neu diagnostizierten Schilddrüsenkarzinome sind pappilär (Reiners: 66,4% im Jahr 1996). Es finden sich Schätzungen, dass das 10- und 20-jährige Überleben nach Diagnose für das papilläre Schilddrüsenkarzinom bei 85 bzw. 95 % liegt (Krebs der Schilddrüse; siehe auch Studie: Erfolgreiche Ablation macht high-risk zu low-risk).

Schilddrüsenkrebs ist eine seltene Erkrankung, Knoten in der Schilddrüse sind dagegen recht häufig:

Eine vergrößerte Schilddrüse (Struma) haben mehr als 20 Millionen Menschen in Deutschland (Vortrag Schumm-Dräger auf DGE 2013).

In Studien in der Allgemeinbevölkerung (zuvor keine Schilddüsenerkrankung bekannt) wurde festgestellt, dass bei diesen zwischen 20% (SHIP-Studie, Völzke 2003) und 23% (Papillon-Studie, Reiners 2004) Knoten in der Schilddrüse zu finden waren.

Die Häufigkeit von Knoten in der Schilddrüse nehmen mit dem Alter zu (Reiners 2004):

  • unter 25 Jahre – Männer ca. 5%; Frauen ca. 8%
  • 35-40 Jahre – Männer ca. 15%; Frauen ca. 26%
  • über 55 Jahre – Männer ca. 31%; Frauen ca. 42%

In absoluten Zahlen haben grob geschätzt mehr als 15 Millionen [Zahl muss noch besser geschätzt werden] Menschen in Deutschland Knoten in der Schilddrüse (2004 lebten in Deutschland 82.530.000 Menschen).

Wie häufig ist ein Knoten in der Schilddrüse Schilddrüsenkrebs?

  • Grussendorf M, Ruschenburg I, Brabant G. Malignancy rates in thyroid nodules – a long-term cohort study of 17,592 patients. Eur Thyroid J. 2022 May 1;11(4):e220027. doi: 10.1530/ETJ-22-0027
    Eine kurze Darstellung gibt es auf Deutsch durch Grussendorf im Block der DGE (18.7.2022): Deutlich niedrigere Malignitätsrate von Schilddrüsenknoten in einer retrospektiven Studie von 17.592 Patienten eines primären/sekundären Zentrums als bisher publiziert.
    Der unterschied zu anderen Studien ist, dass die Autoren die Knoten im Langzeitverlauf (1 bis 23 Jahre) untersuchten. Es wurden nur Knoten > 1cm erfasst, und Zufallsbefunde von Mikrokarzinomen nicht eingerechnet: Die Malignitätsrate betrug 1,1%.

Eine genaue Diagnostik von diesen Schilddrüsenknoten ist daher vor einer möglichen Operation wegen eines Krebsverdachts unbedingt notwendig (siehe FAQ: (Kalte) Knoten = Krebs?; sowie Pressmitteilung der DGE-Pressekonferenz am 13. März 2013: Viele Schilddrüsenoperationen in Deutschland vermeidbar www.endokrinologie.net (11.3.2013))

In Deutschland fanden vor ein paar Jahren noch über 100.000 Schilddrüsenoperationen statt, diese Zahl nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung auf ca. 70.000 im Jahr 2017 gesunden (siehe Häufigkeit von Schilddrüsenoperationen nach Landkreisen).

Nebenwirkungen der Schilddrüsenoperation
Das Risiko von Nebenwirkungen ist bei radikalen Schilddrüsenoperationen, die vor allem dann gemacht werden, wenn ein Schilddrüsenkarzinom vorliegt höher als bei Operationen, die bei gutartigen Schilddrüsenerkrankungen durchgeführt werden. Auch wenn mehr als operiert werden muss steigt das Risiko. Eine geprüfte Qualitätskontrolle von Schilddrüsenoperationen gibt es bislang nicht.
(siehe dazu auch: Kompetenzzentren für Schilddrüsenchirurgie (CAEK – Zertifizierung))

  • Lebenslage Substitution mit Schilddüsenhormonen – bei fast allen Operierten müssen lebenslang mindestens einmal jährlich die Schilddrüsenwerte im Blut kontrolliert werden.
    Die meisten müssen mit Schilddrüsenhormonen substituieren. Bei einem groß Teil funktioniert dies ohne Probleme mit einer L-T4-Substitution. Allerdings klagen 5-15% der Betroffenen über Symptome wie Psycho-Stress, geringe geistige Leistungsfähigkeit, schlechtem allgemeine Wohlbefinden. Ob diese Symptome der ursprünglichen Krankheit, anderen Defekten im komplizierten Prozess der Deiodase und/oder einer Schilddrüsenhormon-Substitution zuzurechnen ist, die nicht dem ursprünglichen, gesunden Schilddrüsenhormonspiegel im Blut entspricht, ist nicht eindeutig geklärt.
    (siehe Europäische Leitlinie zur L-T4 und L-T3-Substitution (2012))
    Es dürften daher jährlich 5.-15.000 Menschen hinzukommen, die mit der Schilddrüsenhormonsubstitution nicht zu ihrer alten Lebensqualität zurückfinden.
    Im Durchschnitt findet eine Gewichtszunahme um 3,3kg statt, wenn die Schilddrüse vollständig entfernt wurde und mit L-T4-Substituiert wird (Im Vergleich dazu bei Hashimoto-Patienten, die noch eine Teilweise funktionierende Schilddrüse haben und „nur“ zusätzlich mit L-T4 substituieren findet nur eine durchschnittliche Gewichtszunahme von 2,2 Kg statt; Quelle Vortrag Brabant 2013).
  • Das Risiko einer Stimmbandnervverletzung (Recurrensparese) ist höher, wenn die Schilddrüse ganz entfernt wird (Totale Thyroidektomie=TT), und noch etwas höher, wenn dies mit zwei Operation geschieht (Zweizeitig). Das Risiko für einen vorübergehende Stimmbandnervverletzung liegt bei einer TT zwischen 1% bis 10%, einer permanente Stimmbandnerverletzung zwischen 0,0% bis 1,4% (Moalem 2008).
    Es dürften daher geschätzt ungefähr pro Jahr 500 bis 1.000 Patienten in Deutschland geben, die durch eine Schilddrüsenoperation eine dauerhafte Stimmbandnervverletzung erleiden. Mit einer Stimmbandnervverletzung gehen auch oft Atembeschwerden einher.
  • Für das Risiko einer dauerhaften Nebenschilddrüsenunterfunktion, die lebenslang mit Calcium und Vitamin D recht schwierig zu substituieren ist, gibt es gleichfalls nur wenig verlässlichen Zahlen. Nach Moalem et al. (Evidenz based review)(2008) haben bei einer Totalen Thyroidektomie (TT) 9-35% eine vorübergehende Nebenschilddrüsenunterfunktion, so das mit Calcium substituiert werden muss, und 0-4% eine dauerhafte Nebenschilddrüsenunterfunktion.
    Thomusch et.al. (2012, PubMed) kamen jedoch bei Operationen von gutartigen Schilddrüsenerkrankungen zu 75% vorübergehender sowie 1,0-1,5 % dauerhafter Nebenschilddrüsenunterfunktion (Zahlen aus Vortrag Siggelkow DGE 2013).
    PD Dr. Heide Siggelkow schätzt, dass es jährlich 1.000 bis 1.500 neue Patienten mit Nebenschilddrüsenunterfunktion in Folge einer Schilddrüsenoperation gibt.Es gibt bislang keine einheitliche Definition der Nebenschilddrüsenunterfunktion und somit auch keine Qualitätskontrolle.
    siehe FAQ-Hilfe: Hypoparathyreoidismus (Übersicht).
  • Nachblutungen – In der Prospektiven Evaluationsstudie Schilddrüsenchirurgie 2 (PETS2) fanden in 1,7% Reoparationen wegen einer Nachblutung statt.
  • Todesfälle nach einer Schilddrüsenoperation – Die Krankenhaussterblichkeit nach einer Schilddrüsenoperation liegt bei 0,1% in den Jahren 2009 bis 2015.
      • Philipp Baum, et.al.

    Sterblichkeit und Komplikationen nach viszeralchirurgischen Operationen

      • , Eine bundesweite Analyse basierend auf den diagnosebezogenen Fallgruppen der deutschen Krankenhausabrechnungsdaten,

    Dtsch Arztebl Int 2019

      • ; 116: 739-46;
      DOI: 10.3238/arztebl.2019.0739

    Geringes Risiko bzw. Risiken nicht bekannt:

  • Horner-Syndrom (siehe Forums-Gruppe: Horner-Syndrom)
  • postoperative Bewegungseinschränkungen – u.a..Plexusparese – Verletzung von Nerven, die zu Lähmungserscheinungen in Armen und Händen führt. Einschränkungen in der Schulterbeweglichkeit.
  • Blutdruckschwankungen durch Verletzung des Baroreflex.
  • Schluckbeschwerden
  • In der Prospektiven Evaluationsstudie Schilddrüsenchirurgie 2 (PETS2) sind 0,04% der Patienten in der Klinik verstorben (während oder nach der Schilddrüsenoperation).Allgemeine Risiken einer Operation, eines Krankenhausaufenthalts
  • Krankenhausinfektion (=nosokomiale Infektion): ca. 3,5 Prozent aller Patienten auf Allgemeinstationen, wobei 70% dieser Infektionen sich nicht vermeiden lassen.
    (Daschner: Hygiene: Hysterie in Deutschland. Deutsches Ärzteblatt 2012)
  • Delir nach Narkose und in Folge postoperatives kognitives Defizit (POCD)
    Bei 18-59 Jährigen haben bei der Entlassung 30% kognitive Defizite; nach 3 Monaten sind dies noch 5%. Bei den über 60 jährigen sind dies bei Entlassung 40% und nach 3 Monaten 12% (Quelle: Gudrun Heyn: Verwirrt nach OP. Pharmazeutische Zeitung Nr.4, .2009)

Je radikaler und je häufiger operiert werden muss, desto höher ist vor allem das Risiko einer Stimmbandnervverletzung und einer Nebenschilddrüsenunterfunktion.
Soll eine Schilddrüsenoperation durchgeführt werden, so empfehlen die Referenz-Pathologen: Feinnadelpunktion besser als Schnellschnitt.

Damit lassen sich eine Reihe (nicht alle) von Zweitoperationen, so genannten Komplettierungsoperationen vermeiden. Dadurch verringert sich das Risiko einer Verletzung der Stimmbandnerven und/oder der Nebenschilddrüsen
(siehe FAQ: Komplettierungsoperation und Lymphknotendissektion beim Schilddrüsenkarzinom).

siehe auch:

Literatur:

Viele Grüße
Harald


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