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HaraldBundesgeschäftsführer
Leitungsteam SHG Berlin
follikulärer SD-Krebs 1997 (oxyphil), Zungengrundkrebs 2024

Antwort auf: Frage zum Befund HTG (humanes Thyreoglobulin)

| Beitrags-ID: 458166

Hallo Tesa,

die Frage, ob eine BRAF-Mutation V600E  mit einer Radioiodtherapie behandelt werden soll, ist leider in den Leitlinien noch nicht beantwortet.

Viele halten das Vorliegen einer BRAF-Mutation V600E für ein Merkmal, dass der Tumor aggressiver sei, und dann eine Radioiodtherapie angeraten sei. Aus diesem Grund soll Dein Fall nun auch der Tumorkonferenz  vorgelegt werden.

Das Problem ist jedoch, dass hier noch sehr viele offene Fragen sind, und darum gibt es hier noch keine Empfehlung.

In der aktuelle NCCN-Guideline (Version 2.2024; März 2024) wird, wenn im Gewebe bei der Feinnadelpunktion eine BRAF-Mutation nachgewiesen wird, auf die Seite PAP-1 (Papilläres Schilddrüsenkarzinom) verwiesen, weil der Nachweis einer BRAF-Mutation beweisend für ein papilläres Schilddrüsenkarzinom ist.

Auf der Seite PAP-1 wird die BRAF-Mutation nicht erwähnt bei der Frage, ob der Tumor

  • nur beobachtet werden soll (wenn der Primärtumor <= 1 cm ist)
    oder
  • nur mit einer Hemithyreoidektomie (wenn der Primärtumor größer 1 cm ist oder im Ultraschall verdächtige Lymphknoten gibt)
    oder
  • mit einer vollständigen Entfernung der Schilddrüse behandelt werden soll.

Die BRAF-Mutation taucht erst wieder beim sehr fortgeschrittenen Schilddrüsenkarzinom (PAP-10) bei der Frage  auf, welche systemische Therapie am besten eingesetzt werden soll (Vemurafenib).

Nach der NCCN-Guideline ist es unwichtig, ob Du eine BRAF-Mutation hast.

Noch ein paar Fakten/Äußerungen, die jedoch zur Verunsicherung führen, wenn man nicht alle zusammen betrachtet:

  • BRAF V600E Mutation kommt beim papillären Schilddrüsenkarzinom vor. Es kommt sogar recht häufig vor. Beim Primärtumor wesentlich häufiger (85%) als  bei den Metastasen (64%). (Siehe Forenthema: Studie: Genomisches Profil von primären und metastasierten Schilddrüsenkarzinomen (Máximo 2024))
    Harald: Das spricht daher dafür, dass dies kein Merkmal für einen aggressiveren Schilddrüsenkrebs ist.
  • Liegt zusätzlich zu einer BRAF-Mutation eine TERT-Mutation oder eine andere onkogene Mutation vor, dann ist der papilläre Schilddrüsenkrebs jedoch aggressiver. siehe dazu u.a..: Pappa T, et al., 2021, Oncogenic Mutations in PI3K/AKT/mTOR Pathway Effectors Associate with Worse Prognosis in BRAFV600E -Driven Papillary Thyroid Cancer Patients. Clin Cancer Res. 2021 Aug 1;27(15):4256-4264. doi: 10.1158/1078-0432.CCR-21-0874. Epub 2021 Jun 4. PMID: 34088725.
    Harald: Es ist also wichtig, dass kein weitere Mutation vorliegt.
  • Es gibt dann noch eine Studie, die das Alter und das vorliegen einer BRAF-Mutation untersuchte. Diese kam zum Ergebnis, dass beim Alter unter 45 Jahre das Risiko an diesem Krebs zu sterben unter 1% liegt, unabhängig vom Vorliegen einer BRAF-Mutation (das Problem ist hier natürlich, dass man viel längere Zeiträume untersuchen müsste). Bei Erstdiagnose  älter wie 45 Jahre steigt jedoch mit Vorliegen einer BRAF-Mutation deutlich von 5 % bis auf 21% bei über 75-jährigen: Forenthema: Studie: BRAF V600E u. älter höheres Rezidivrisiko (Shen 17).  Der Nutzen einer Radioiodtherapie bei BRAF V600E Mutation wurde bzw. konnte in dieser Studie nicht untersucht werde. Die Radioiodtherapie beeinflusst jedoch nicht, den Risikofaktor Alter bei Vorliegen einer BRAF-Mutation.
  • Es gibt ferner die Aussagen von US-amerikanischen Ärzt*innen, dass ein Schilddrüsenkarzinom mit einer BRAF-Mutation weniger gut auf die Radioiodtherapie anspricht. Es wird gar der Nutzen einer Radioiodtherapie bei Vorliegen einer BRAF-Mutation in Frage gestellt. Hier warte ich auf eine Veröffentlichung; In der NCCN-Guideline findet sich zu dieser Vermutung /These noch keine Ausführungen; und dies ist die derzeit aktuellste Leitlinie.
  • Die Radioiodtherapie hat gesichert bei einem auf die Schilddrüse begrenzen Tumor also nur den Nutzen, dass das gesunde Schilddrüsenrestgewebe entfernt wird, und danach das Thyreoglobulin (Tg) als Tumormarker gut benutzbar ist.

Auf Deinen Krankengeschichte bezogen (auch mit Fragen, die Du Deinen Ärzt*innen stellen kannst):

  • Zufallsbefund einen papillären Mikrokarzinom (PTMC)
  • Tg nach einer vollständigen Entfernung der Schilddrüse: 4 Wochen später <0,2 (Wiederfindung ist Ok; TAK wurden nicht gemessen); gibt es einen neueren Wert? Kann man auch die TAK bestimmen?
  • Lymphknoten im Hals: Im Ultraschall auffällig oder unauffällig?
  • Wurden weitere Mutation zu der BRAF V600E Mutation festgestellt?
  • Ist das Alter von Bedeutung?

Der Tumormarker Tg ist auch ohne Radioiodtherapie schon recht aussagefähig (Einen weiteren Nutzen einer Radioiodtherapie soll worin bestehen?)

TPO und TRAK sind wegen Deinem Morbus Basedow erhöht , und haben nichts mit dem Schilddrüsenkrebs zu tun.

Die TRAK und der Morbus Basedow könnten dir eventuell mehr Probleme bereiten wie das Mikrokarzinom.

Mit der Höhe der TRAK  steigt das Risiko einer Endokrine Orbitopathie (EO). Ob die Schilddrüsenoperation das Risiko hierfür mindert, ist meines Wissens noch nicht geklärt. Bei solchen Fragen bietet es sich an  bei der Selbsthilfe zu Morbus Basedow zu erkundigen; z.B. Autoimmune Schilddrüsenerkrankungen (ht-mb.de) oder https://www.kit-online.org/   Wie gut dort die Informationen sind, kann ich nicht beurteilen.

Gesicherte Informationen gibt es auf jeden fall von der  Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie Morbus Basedow (leider ohne Datum) und gesundheitsinformationen.de : Basedow-Krankheit (leider auch ohne Datum ; dafür mit Quellen-Angaben)

Viele Grüße

Harald

  • Diese Antwort wurde geändert vor 5 Monaten von Harald.
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